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Sondersitzung: Nein zu 12/60 - die Rede von Abg.z.NR Josef Muchitsch

Rede von Abg.z.NR Josef Muchitsch anlässlich der Parlaments-Sondersitzung am 29.06.2018

29.06.2018 16:38


Sondersitzung: Nein zu 12/60


Der Bundeskanzler hat zu diesem Thema mehr Sachlichkeit eingefordert. Versuchen wir heute – auch wenn er jetzt nicht hier ist und es allen sicher schwer fällt – den bestehenden Initiativantrag, inklusive der geplanten Abänderungen von ÖVP und FPÖ – sachlich zu diskutieren und die Bevölkerung über die Auswirkungen aufzuklären.

Versuchen wir, „Kampf-Rhetorik“ beiseite zu legen und verzichten wir ALLE auf unnötige und störende Zwischenrufe. Verzichten wir auch auf etwaige Ablenkungsszenarien bei diesem so wichtigen Thema, welches alle Menschen in unserer Republik betrifft.

Nun zu den Fakten Ihres Initiativ-Antrages inklusive des Abänderungsantrages.

Die ÖVP und die FPÖ argumentieren, dass es den 12-Stunden-Tag schon gibt.

Richtig! Beispiele: ÖBB, ASFINAG, Spitals- und Pflegewesen, öffentlicher Dienst bis hin zur Polizei. Es gibt den 12-Stunden und die 60-Stunden-Woche im Bedarfsfall aber auch schon in allen anderen Branchen – wie Tourismus, Bau oder Metall. Das aber nur im Bedarfsfall – DAS ist der große Unterscheid zu ihrem Entwurf – mit Zustimmung des Betriebsrates und der KV-Partner.

Und genau deshalb, weil es das schon gibt, ist bis dato kein einziger Auftrag in Österreich – trotz Hochkonjunktur 2016 und 2017 – zu spät fertig geworden! Was aber die 12-Stunden im öffentlichen Dienst, der ÖBB, ASFINAG, Spitals- und Pflegewesen, öffentlicher Dienst von ihrem Initiativantrag unterscheidet, ist einfach erklärt. Genau in diesen Bereichen wissen die Arbeitnehmer schon jetzt, wie ihr Dienstplan für Juli und in den folgenden Monaten aussehen wird und sie haben ab dem 43. Lebensjahr eine 6. Urlaubswoche. Sie können schon jetzt ihre Arbeitszeit in Verbindung mit ihrer Freizeit und ihrer Familie gestalten. Wenn jemand in diesen Bereichen 2 oder 3 Dienste macht, hat er im Anschluss drei bis vier Tage Freizeit für Erholung, Gesundheit und Familie. Genau dieser Rechtsanspruch auf mehr Freizeit und Erholung nach mehr Arbeit ist in Ihrem Entwurf nicht enthalten.

FPÖ und ÖVP versprechen eine 4-Tage-Woche

Das gibt es bereits in derzeitigen Arbeitszeitgesetz.

Der Unterschied: Jetzt sind 4 x 10 Stunden möglich – danach 4 x 12! Bitte „gaukeln“ sie den Menschen nicht etwas Neues vor, was es schon seit mehr als 20 Jahren im AZG gibt und 2007 neu adaptiert wurde. Blenden Sie nicht die Menschen mit Errungenschaften, welche unter Einbeziehung der Sozialpartner und roter Kanzlerschaft eingeführt wurde.

FPÖ und ÖVP sprechen von Arbeitszeitflexibilisierung und verschweigen, dass dieser Antrag in Wahrheit eine Arbeitszeitverlängerung ist

Sie erhöhen die Tageshöchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden.

Die Wochenhöchstarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden. Und die Überstunden pro Woche von 5 auf 20 Stunden. Das Ergebnis: Die höchstzulässige Mehrarbeitszeit steigt pro Jahr von 320 auf 416 Stunden. Das sind umgerechnet 12 Arbeitstage zusätzlich. 96 Stunden zusätzlich länger im Betrieb sind 12 Arbeitstage. Sie machen das, obwohl sie den Menschen versprochen haben, dass die Jahresarbeitszeit nicht erhöht wird. Bitte schenken Sie der Bevölkerung reinen Wein ein! Hier haben Sie zu KURZ gedacht!

ÖVP und FPÖ reden immer davon, dass der 8-Stunden-Tag und 40-Stunden-Wocheaufrecht bleiben.

Es geht nicht darum, was die Normalarbeitszeit festschreibt, sondern wie viele Stunden tatsächlich in einem Betrieb geleistet werden.

Es nützt den Menschen nichts, wenn Sie ihnen einen 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche „vorgaukeln“, wenn sich auf Anordnung des Arbeitsgebers die tatsächliche Tagesarbeitszeit auf 12 Stunden und die tatsächliche Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden erhöht. Hier haben Sie zu Kurz gedacht!

Nun zu Ihrer Freiwilligkeit und Ablehnungsmöglichkeit der 11 und 12 Stunde.

In der Judikatur gibt es kein Wort „Freiwilligkeit“.

Auch wenn Sie jetzt versuchen, dies „schön zu reden“ oder im Abänderungsantrag „schön zu schreiben“. Tatsache ist, der Arbeitgeber kann einseitig 12 Stunden anordnen. Fakt ist, laut ihrer Abänderung kann der Arbeitnehmer – ohne Angabe von Gründen - die 11. und 12. Stunde ablehnen. Wie wird sich das in der Praxis abspielen? Wie oft kann ein Arbeitnehmer die 11 oder 12 Stunden ablehnen, ohne dass es Auswirkungen auf sein Einkommen, Aufstiegschancen oder bei Kündigungen hat. Noch einmal: Wie oft kann ein Arbeitnehmer in der Realität die Anordnung einer 11. und 12. Stunde ablehnen? Arbeitsrechtsexperten bestätigten: Der Arbeitnehmer sitzt in der Frage der Freiwilligkeit und Ablehnung am kürzeren Ast. Zu sehr ist die wirtschaftliche Abhängigkeit dazu gegeben. Auch hier haben Sie zu Kurz gedacht!

Nächstes Thema: Verbrauch von Freizeit oder Geld .Das soll im schwarz-blauen Abänderungsantrag der Arbeitnehmer bestimmen.

Wie ist die bisherige Praxis? In der Praxis sieht es so aus, der Arbeitnehmer musste mit dem Arbeitgeber diesbezüglich eine einvernehmliche Lösung suchen. Außerdem wurde der Freizeitbereich über Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge im Interesse der Arbeitnehmer geregelt. Abgesehen davon sind wir jetzt schon Vizeeuropameister bei Überstunden. Mit dem traurigen „Beigeschmack“ dass laut Statistik Austria 2017 von 250 Millionen Überstunden 45 Millionen Überstunden nicht bezahlt oder nicht in Zeitausgleich genehmigt wurden.

Ich frage Sie – FPÖ und ÖVP – laut Ihrem Gesetzesentwurf, wann darf der Arbeitnehmer seine Freizeit in Anspruch nehmen? Wann, wenn er es selber zum Erholungszweck braucht – so wie es bei ÖBB, ASFINAG, öffentlichem Dienst, Spitals- und Pflegewesen, Polizei – bereits geregelt ist, oder, wenn es der Firma recht ist? Wann ist es der Firma recht? Bei vollen Auftragsbüchern? Heuer? Nächstes Jahr? Oder irgendwann? In diesem Gesetz ist der Rechtsanspruch für den Zeitpunkt des Verbrauchs für die Arbeitnehmer nicht geregelt. Im Gegenteil: Sie lassen in Ihrem Gesetzesentwurf zu, dass ein Zusammenrechnen von Durchrechnungszeiträumen für die Leistung von Überstunden auf den St. Nimmerleinstag ermöglicht wird! Das nächste versteckte Foul an den Arbeitnehmern und somit „zu KURZ gedacht!“

ÖVP und FPÖ haben kundgetan, es kommt zu keinen Einkommensverlusten.

Die Wahrheit ist:


1. WKO und IV bestätigen den Wegfall von Gleitzeitzuschlägen. Ihre Korrektur umfasst bei der Gleitzeit nur Zuschläge bei angeordneten Stunden. Oftmals werden aber Arbeiten in der Gleitzeit in der 11. und 12. Stunde ohne Anordnung fertiggestellt. Bei diesen Fällen gebührt kein Zuschlag.

2. Bei Abschluss von All-In-Verträgen war die Ausgangsbasis 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche. Ab jetzt müssen alle 500.000 Arbeitnehmer mit „All-In-Verträgen“ nach den neuen Plänen der Bundesregierung bei gleichem Geld bis zu 10 Stunden pro Woche länger arbeiten.

3. Bestehende Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge, wo die Mitbestimmung bei Arbeitszeit, Zuschlägen und Zeitverbrauch geregelt sind – werden in Zukunft nicht mehr möglich sein. Mit Ihrer Streichung des Paragraph 7 Absatz 4 im Arbeitszeitgesetz sind Betriebsvereinbarungen für den 12-Stunden-Tag nicht mehr möglich. Sie entziehen hier per Gesetz die Mitbestimmung durch die Betriebsräte im Betrieb und die Zustimmung der KV-Partner. In bisherigen Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen wurden die Zuschläge, der Freizeitverbrauch und der Zeitraum geregelt. Dies immer zu besseren Bedingungen, als Sie es im Gesetz nun regeln.

Sie streichen die Mitbestimmung im Arbeitszeitgesetz. Ihr Argument, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen bleiben aufrecht, stimmt nicht. Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge sind befristet abgeschlossen und laufen somit aus. Sie verlagern den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche ausschließlich in das Arbeitszeitgesetz, wo der Arbeitgeber einseitig anordnet. Damit sind bessere Regelungen nur mehr im Arbeitskampf über KV-Verhandlungen und auf betrieblicher Ebene möglich.

Experten aus ganz Österreich und aus allen Fachbereichen bestätigen unsere Analyse: Für die gleiche Arbeit gibt es weniger Einkommen. Wieder einmal zu KURZ gedacht.

 

ÖVP und FPÖ sagen, dass nur bei Bedarf 12 und 60 Stunden gearbeitet werden soll.

Es haben sich aber schon Unternehmen gemeldet, die sich auf 12 und 60 Stunden freuen.

Es gibt aber auch Unternehmen, denen die Vorsorgepflicht für ihre Arbeitnehmer wichtig ist und denen dieser Gesetzesentwurf zu weit geht. Zum Beispiel LIM Baugewerbe in Tirol oder der Landesinnungsmeister der Frisöre aus Tirol.

Es wird also Unternehmen geben, die dieses Gesetz zu 100 Prozent ausnutzen werden, aber auch Unternehmen, die das nicht beabsichtigen. Das Problem ist, es entsteht automatisch ein unfairer Wettbewerb. Wenn bei einer Ausschreibung zum Beispiel im Straßenbau und im Hochsommer eine Baufirma 7 Wochen lang einen 12-Stunden-Tag bei einer 60-Stunden-Woche kalkulieren darf, wird sie es auch tun. Jene Baufirma, welcher die Gesundheit der Schwerarbeiter wichtiger ist, wird keine Chance haben, diesen Auftrag zu erhalten.

Zum letzten Bereich – Gesundheit!

Arbeitsmediziner warnen vor einem erhöhten Unfallrisiko.

Bei Industriearbeitern ab der 10. Stunde passieren in Folge von Müdigkeit Fehler. Bei Altenpflegern ist nach zwei 12-Stunden-Schichten drei Tage Erholung notwendig. Bleibt zu wenig Zeit für die Erholung, wird die Müdigkeit in den nächsten Tag mitgenommen.

Ich bedanke mich für die vielen Zusendungen von Betroffenen, welche schon jetzt darauf hinweisen, wie es ihnen bei anhaltenden 12-Stunden-Tagen gesundheitlich geht.

Und genau diese Beispiele aus der Praxis von Betroffenen: Aus dem Tourismus, aus der Metall- und Baubranche – auch betroffen davon sind Lehrlinge ab dem 18 Lebensjahr und natürlich Frauen – besonders alle alleinerziehenden Mütter in Österreich. Wo es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt, geht der ÖVP-FPÖ-Entwurf an der Realität vorbei. Mit einem Gesetzestext über alle Branchen – unabhängig der Schwere der Arbeit, Planbarkeit von Freizeit und Berücksichtigung von Betreuungsaufgaben – fahren Sie einfach in drei Wochen drüber.

Von Tag zu Tag wird sichtbarer, dass dieser ÖVP-FPÖ-Entwurf nicht für die Menschen und ihre Familien gemacht wird, sondern für diejenigen, die dieses Gesetz beim Bundeskanzler bestellt haben.

Alle Experten bestätigen das. Und es ist auch bezeichnend, wenn die Frau Wirtschaftsministerin – einen Tag, nachdem Sie uns dieses Gesetz am Abend auf den Tisch „geknallt“ haben – am 15 Juni im Ö1-Morgenjournal den Aufruf an die Unternehmen macht, Orginalzitat: Ich gebe ganz klar den Auftrag an die Unternehmen, das nicht auszunutzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Schlimmste in den Diskussionen und Ihren Presseaussendungen ist, dass kein einziges Mal das Wort „Gesundheit“ vorkommt. Im Gegenteil: Die Wirtschaftskammer mobilisiert in Abstimmung mit der Industriellenvereinigung für ihren Antrag in Gemeinden und Firmen.

Ein ÖVP-Wirtschaftsbund-Mitglied twittert:

Kohl: Arbeiternehmer sind Wertlose!

Arbeitnehmer sind weder Kostenfaktoren noch Wertlose! Arbeitnehmer sind Menschen, die den Umsatz ihrer Arbeitgeber erwirtschaften.

Umso wichtiger ist es, dass all jene in dieser Republik, denen das Einkommen, die Freizeit, die Familien und die Gesundheit wichtig sind, sich gegen ihren Entwurf auflehnen.

Deshalb rufe ich auch auf, dass morgen so viele Menschen wir möglich bei der Demo des ÖGB Solidarität zeigen und ab 14.00 Uhr am Westbahnhof und ab 15.00 Uhr am Heldenplatz ein wichtiges Zeichen der Menschlichkeit und Würde für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich setzen.

Dieses „Husch-Pfusch-Gesetz“ gehört zurück an den Start und an den Verhandlungstisch mit allen Sozialpartnern und Experten.

Ansonsten werden wir weiterhin nicht müde, unsere Bevölkerung darüber aufzuklären, welche versteckten „Fouls“ und negative Auswirkungen für die Beschäftigten dieses Gesetz von FPÖ und ÖVP hat.

Abschließend, Tatsache ist: Im FPÖ-ÖVP-Gesetzesentwurf gibt es keine einzige Besserstellung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum derzeitig gültigen Arbeitszeitgesetz.

Ich fordere daher den Bundeskanzler, die gesamte Bundessregierung und alle Abgeordneten von ÖVP und FPÖ auf:

NEIN zur 60-Stunden-Woche! Wenn Ihnen die Menschen und ihre Familien wichtig sind, nehmen Sie diesen Initiativantrag zurück. Legen Sie im Ministerrat am kommenden Dienstag eine Regierungsvorlage vor, mit Ersuchen, der Nationalratspräsident möge diesem dem Sozialausschuss zuweisen. Ich garantiere Ihnen, dass noch vor dem Sommer eine Sozialausschuss-Sitzung zustande kommt, mit dem Auftrag, eine Begutachtung von 6 Wochen bis Ende August für dieses so wichtige Gesetz zu ermöglichen. Als Vorsitzender des Sozialausschusses erkläre ich mich bereit, Ende August / Anfang September eine Sondersitzung des Sozialausschusses einzuberufen, damit ein neues gerechtes und faires Arbeitszeitgesetz in der ersten Herbstsitzung des Nationalrates beschlossen werden kann.

Stimmen Sie daher unserem Entschließungsantrag zu, dass eine ausreichende Begutachtung unter Einbindung der Experten und Sozialpartner ermöglicht wird. Zeigen Sie Größe und Verantwortung, wenn es um die Menschen mit ihren Familien und allen ihren Bedürfnissen und den sozialen Frieden in Österreich geht.

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