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Lohndumping am Bau muss "auf europäischer Ebene" bekämpft werden

Studie: Bei ausländischen Entsende-Unternehmen stand 2018 jedes dritte unter Verdacht auf Unterentlohnung - EuGH-Urteile erschweren Rechtsdurchsetzung
Wien (APA) - 
In der Baubranche kommt es laut der Arbeiterkammer (AK) immer noch viel zu häufig zu Lohn- und Sozialdumping. Insbesondere ausländische Unternehmen, die Arbeitskräfte nach Österreich entsenden, würden ihre Arbeiter oft nicht ordnungsgemäß entlohnen, so die Kammer. Das Problem müsse nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene behandelt werden.
 
Laut einer von der AK in Auftrag gegebenen Studie bestand zwischen Mai 2011 und 2018 bei rund sieben Prozent der (knapp 70.000) kontrollierten Unternehmen der Baubranche der Verdacht auf Unterentlohnung - angezeigt wurden zwei Prozent aller Firmen. Bei ausländischen Unternehmen, die Arbeitskräfte nach Österreich entsenden, liege der Anteil der Verdachtsfälle deutlich höher bei 37 Prozent, also mehr als jedes dritte Unternehmen.
 
Angezeigt wurden letztlich aber nur sieben Prozent aller kontrollierten Firmen.
In Österreich betreffe das viele Arbeitnehmer, denn mit 21 Prozent seien überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer am Bau nicht direkt bei einem österreichischen Unternehmen unter Vertrag, sondern entsandt. Der EU-Schnitt liege bei 5 Prozent, so die AK. Die Entsende-Unternehmen stammen meist aus Deutschland, Slowenien und Tschechien. In der Studie wurden Daten der Statistik Austria, der Sozialversicherung, der Finanzpolizei, der EU-Kommission und der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ausgewertet.
 
"Das zeigt ganz deutlich: Das Thema muss auf europäischer Ebene gelöst werden," sagte AK-Präsidentin Renate Anderl am Dienstag vor Journalisten. "Das Bild ist klar: Österreich ist Zielland Nummer Eins bei den Entsendungen aus Osteuropa", sagte Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. "Wir schaffen es nicht, die Lohndrückerei in den Griff zu bekommen, trotz nationaler Anstrengungen. Und wenn wir es in den Griff bekommen, kommen EuGH-Urteile, die uns wieder an den Start zurückwerfen. Das ist das große Problem."
 
In den vergangenen Jahren habe der europäische Gerichtshof (EuGH) immer wieder nationalen Urteile, die zugunsten der Arbeitnehmer gewesen wären, widersprochen und so die Dienstleistungsfreiheit über die Rechte der Arbeitnehmer gestellt, sagte Walter Gagawczuk, AK-Experte für die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. Die Hebel in der heimischen Rechtsprechung, die zur Abschreckung vor Lohn- und Sozialdumping geeignet wären - wie das Kumulationsprinzip sowie die Sicherungsleistungen - seien damit nicht mehr anwendbar. "Wir haben das Gefühl, es geht zwei Schritte nach vor und drei zurück, weil der EuGH das alles schwerer macht", so Gagawczuk. "Die EuGH-Judikatur ist sehr unberechenbar und wird Verfahren in Zukunft schwieriger machen und es schwerer machen Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen."
 
Das Kumulationsprinzip besagt, dass bei Verwaltungsdelikten (im Gegensatz zum Strafrecht) jedes Vergehen einzeln bestraft werden kann. In der Baubranche bedeutet das, dass ein Unternehmen, das mehrere hundert oder tausende Mitarbeiter hat, stärker bestraft werden kann für Lohndumping als ein kleineres Unternehmen. Das Prinzip der Sicherungsleistungen besagt, dass der Auftraggeber bei Verdacht auf Lohn- und Sozialdumping einen Teil des Werklohns bei der Behörde als Sicherheit für eine mögliche Verwaltungsstrafe hinterlegen muss, bis die Vorwürfe gegen den Auftragnehmer geklärt sind.
 
Vor allem mit slowenischen Entsende-Unternehmen gebe es Probleme. Diese könnten ihre Sozialversicherungsbeiträge für entsendete Arbeitnehmer an einem fiktiven slowenischen Durchschnittslohn berechnen anstatt nach einem österreichischen Lohn und damit Arbeitskräfte deutlich billiger anbieten als konkurrierende heimische Unternehmen. Bei der EU-Kommission wurde deswegen bereits von der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter Beschwerde eingelegt, die Kommission ermittelt.
 
Um gegen derartigen Praktiken vorgehen zu können, müsse die neue Regierung mehr Personal für Kontrollen zur Verfügung stellen, Subunternehmerketten einschränken und eine Generalunternehmerhaftung nach deutschem Vorbild einführen, nach der der erste Auftragnehmer für die ordnungsgemäße Bezahlung der Löhne und Sozialversicherungsbeiträge haftet und diese Haftung nicht auf Subunternehmer abwälzen kann, forderte Muchitsch. Darüber hinaus müsse das heimische Gesetz so angepasst werden, dass es europarechtskonform ist, so Anderl. Das Kumulationsprinzip sowie die Sicherungsleistungen müssten aber bleiben. Zudem will die AK-Präsidentin härtere Strafen für Unternehmen, die versuchen Kontrollen zu verhindern. Nationale Regelungen müssten aber auch von der EU unterstützt anstatt durch europäische Rechtsprechung boykottiert werden, forderten sowohl Anderl als auch Muchitsch.
 
Beim heutigen Neujahrsempfang der Gewerkschaft Bau-Holz im ÖGB-Haus in Wien unter dem Motto "gemeinsam stärker" sprach Muchitsch dann von vielen "Baustellen im politischen Bereich". Er plädierte für eine stärkere Zusammenarbeit in der Sozialpartnerschaft. "Die Sozialpartnerschaft ist nicht parteipolitisch motiviert. Die Sacharbeit steht ganz klar im Vordergrund."
 
Dem Wirtschaftskammerpräsidenten sei die Sozialpartnerschaft aber vermutlich nicht so wichtig wie seinem Vorgänger, kritisierte Muchitsch ohne den Namen von Harald Mahrer jedoch lobend jenen von Christoph Leitl zu erwähnen, der die Interessen der Wirtschaft "auch knallhart vertreten hat". "Die Sozialpartnerschaft ist unbedingt notwendig", sagte Muchitsch.
 
"Wir haben riesige Herausforderungen. Wir müssen uns wieder öfter treffen und der Bundesregierung Vorschläge einbringen. Wir müssen überparteilich zuarbeiten." Ein Beispiel sei das Bundesvergabegesetz, wo man als "Zubringer für die Politik aktiv werden" solle.
 
Risiken durch die Pläne der neuen türkis-grünen Bundesregierung ortet der sozialdemokratische Teilgewerkschaftschef bei möglichen Einschnitten beim Arbeitslosengeld, Entgeltfortzahlungen und bei den Pensionen. Eine CO2-Steuer sei wiederum für die Pendler gefährlich. Chancen sieht Muchitsch für den Bau bei den Plänen der Bundesregierung für Klima- und Umweltoffensiven. Mehr Beschäftigung könnte durch zusätzliches Geld für den öffentlichen Verkehr geschaffen werden. Auch dass die Liste der Berufskrankheiten evaluiert wird, sei gut, so Muchitsch. Ein sachlicher Austausch mit der Bundesregierung sei sicher möglich, so der SPÖ-Nationalratsabgeordnete.
 
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