GBH

Lohngerechtigkeit auf dem Bau

Studie zu Lohn- und Sozialdumping in der Baubranche

Lohndrückerei: Die Lösungen liegen auf dem Tisch

ArbeitnehmerInnen aus EU-Staaten haben in der EU das Recht zu arbeiten, wo sie wollen. Doch die ArbeitnehmerInnen sind insbesondere auf dem Bau Lohndrückerei, Ausbeutung und infolgedessen einem Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Das zeigt eine neue Studie von L&R Sozialforschung im Auftrag der Arbeiterkammer, für die Daten der Statistik Austria, der Sozialversicherung, der Finanzpolizei, der EU-Kommission und der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ausgewertet wurden.
 
AK Präsidentin Renate Anderl:
„Ich werde hier nicht in Bausch und Bogen die gesamte Baubranche verteufeln. Aber leider gibt es immer noch genug schwarze Schafe, die sich nicht an die Regeln halten. Das schadet den Beschäftigten, und es schadet den anderen, korrekt arbeitenden Firmen. Die neue Regierung hat sich eine Evaluierung des Handlungsbedarfs beim Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vorgenommen. Der Handlungsbedarf liegt in mehrerer Hinsicht klar auf dem Tisch:
 
1. Das Kumulationsprinzip muss weiter gelten: Es muss einfach einen Unterschied machen, ob ich einem Menschen keinen Lohn zahle oder gleich 200 ArbeitnehmerInnen.
 
2. Wir brauchen auch weiter eine Sicherheitsleistung, nachdem die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung nach wie vor nicht funktioniert.
 
3. Härtere Strafen für Unternehmen bei Kontrollvereitelung!
 
Wir feiern in diesem Jahr 25 Jahre Zugehörigkeit zur Europäischen Union. Es kann nicht sein, dass die Dienstleistungsfreiheit über die Rechte der ArbeitnehmerInnen gestellt wird. Dadurch werden einerseits die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Menschen, die auf der Suche nach Arbeit nach Österreich kommen, unerträglich und das schafft andererseits einen unmenschlichen Verdrängungswettbewerb für die österreichischen ArbeitnehmerInnen. Ich sage es offen: Das schafft moderne Sklaven! Der Mensch muss im gemeinsamen Europa über der Jagd nach Profiten stehen, soviel Gerechtigkeit muss sein!“
 
Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz:
„Österreich ist Zielland bei Entsendungen und damit durch Lohn- und Sozialdumping massiv einem unfairen Wettbewerb unter Unternehmen und Arbeitern ausgesetzt. Es braucht mehr an effektiven europäischen Regelungen dagegen. Nationale Regelungen gegen Sozialbetrug müssen durch die EU unterstützt statt boykottiert werden, sonst wird der BREXIT kein Einzelfall bleiben. Und dort, wo in Mitgliedsländern unlautere Geschäftsmodelle wie Entsendetricks aus Slowenien angewendet werden, muss die Europäische Kommission die STOPPTASTE drücken. Die Gewinner von Lohn- und Sozialdumping müssen endlich zu den Verlierern werden. Sozialbetrug darf sich einfach nicht mehr rechnen.“
 
Anzeige wegen Lohndumping gegen jedes dritte Entsende-Unternehmen!
 
Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) hat seit der Arbeitsmarktöffnung für zehn osteuropäische Staaten 2011 bis 2018 46.135 Baustellenkontrollen durchgeführt und bei 69.188 Unternehmen insbesondere die korrekte Entlohnung von 256.601 ArbeitnehmerInnen überprüft. 2012 gab es 433 Verdachtsfälle auf 6.592 kontrollierten Unternehmen, 2018 gab es 1.149 Verdachtsfälle bei 13.665 kontrollierten Unternehmen. Trotz mehr Kontrolle ist der Anteil der Verdachtsfälle relativ konstant bei 7 Prozent im Jahr 2012 bzw. 8 Prozent im Jahr 2018.
 
Über den gesamten Zeitraum 1. Mai 2011 bis 2018 betrachtet besteht bei 7 Prozent der Unternehmen der Verdacht der Unterentlohnung. Bei ausländischen Unternehmen sind es 37 Prozent, d.h. gegen mehr als jedes dritte Unternehmen, das aufgrund der Dienstleistungsfreiheit Arbeitskräfte nach Österreich entsandt hat!
 
Der Bau ist der fünftgrößte Beschäftigungssektor mit 7 Prozent aller ArbeitnehmerInnen. Die Beschäftigung auf dem Bau ist im Vergleich zur gesamten Beschäftigung schwächer gewachsen, um 6 Prozent im Vergleich zu 11 Prozent insgesamt. Der Anteil ausländischer Arbeitnehmer auf dem Bau ist von 20 auf 28 Prozent gestiegen.
 
21* Prozent der Arbeitskräfte am Bau sind nicht direkt bei einem inländischen Unternehmen unter Vertrag, auf das die Behörden im Falle einer Gesetzesübertretung direkten Zugriff haben, sondern werden durch ein Unternehmen im EU-Ausland nach Österreich entsandt. Der EU-Durchschnitt liegt nur bei 5 Prozent der ArbeitnehmerInnen am Bau.
 
Zunehmend sind es Entsendungen von Nicht-EU-BürgerInnen durch Entsende-Unternehmen aus Deutschland, Slowenien und Tschechien. Insbesondere slowenische Unternehmen entsenden viele Staatsbürger aus Bosnien-Herzegowina und Serbien nach Österreich. (Diese haben in Slowenien eine Arbeitsgenehmigung.)
 
* Entsendestatistik der EU-Kommission auf Basis der Sozialversicherungsformulare PD A1.
 
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs:
 
Dienstleistungsfreiheit über die Rechte der ArbeitnehmerInnen gestellt
 
Sicherheitsleistung bei Verdacht auf Lohn- und Sozialdumping
 
Die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Verwaltungsstrafen waren und sind noch immer völlig unzureichend. Damit fehlt weitgehend die Abschreckung vor Lohn- und Sozialdumping. Der österreichische Gesetzgeber hat daher eine Sicherheitsleistung vorgesehen: Bei einem konkreten Verdacht auf Lohn- und Sozialdumping gegen ein Subunternehmen und zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Vollstreckung musste der Auftraggeber einen Teil des Werklohns bei der Behörde als Sicherheit für eine allfällige Verwaltungsstrafe hinterlegen, bis die Vorwürfe geklärt waren. Dass dies auf Verdacht geschieht, hat der Europäische Gerichtshof als „überschießend“ beurteilt. Dies sei nicht vereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit, die damit de facto höher gewertet wird als die Rechte der ArbeitnehmerInnen.
 
Umgehung des Schutzes durch die Entsenderichtlinie
 
Am 28. Jänner 2016 wurden im Rahmen einer Schwerpunktkontrolle auf dem Wiener Hauptbahnhof ArbeitnehmerInnen angetroffen, die als Bordpersonal in ÖBB-Zügen auf der Strecke Budapest-Wien-Salzburg-München und retour fungierten. Eine Überprüfung ergab, dass sie Beschäftigte der „Henry am Zug Hungary Kft“ mit Sitz in Budapest waren – und entgegen der Entsenderichtlinie nach ungarischem und nicht nach österreichischem Recht entlohnt waren. Die Kontrollbehörden verhängten eine hohe Strafe gegen den Geschäftsführer.
 
Der Europäische Gerichtshof hob die Strafe auf mit Verweis auf eine Ausnahmebestimmung in der Entsenderichtlinie, das sogenannte „Montageprivileg“. Demnach sind ArbeitnehmerInnen bei Erstmontagearbeiten und/oder Einbauarbeiten teilweise und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Entsenderichtlinie ausgenommen. Der EuGH bezog sich also auf diese Bestimmung und meint, es liege in dem vorliegenden Fall keine Entsendung vor. Er argumentiert, dass ein Teil der mit den Dienstleistungen verbundenen Arbeit in Ungarn verrichtet und der Dienst auch in Ungarn angetreten bzw. beendet wird, sodass „keine hinreichende Verbindung“ zur Tätigkeit in Österreich besteht. Und das, obwohl 70 Prozent der gefahrenen Strecke in Österreich liegen!
 
Kumulationsprinzip: Strafen pro betroffenem Arbeitnehmer
 
Eine kroatische Subfirma konnte für rund 200 Arbeiter auf dem Bau weder Lohnunterlagen noch Beschäftigungsbewilligungen vorlegen. Daher setzte es für fehlende Unterlagen Strafen nach dem Kumulationsprinzip: Die einzelne Strafhöhe wird mit der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer multipliziert. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass das Strafausmaß unverhältnismäßig sei, u.a. weil das Kumulationsprinzip ohne Beschränkungen angewandt wurde. Wiederum wurde die Dienstleistungsfreiheit über die Rechte der ArbeitnehmerInnen gestellt.
 
AK und Gewerkschaft Bau-Holz fordern Lohngerechtigkeit auf dem Bau
 
Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz: Sozialbetrug darf sich nicht mehr rechnen
 
„Österreich ist Zielland bei Entsendungen und damit durch Lohn- und Sozialdumping massiv einem unfairen Wettbewerb unter Unternehmen und Arbeitern ausgesetzt. Es braucht mehr an effektiven europäischen Regelungen dagegen. Nationale Regelungen gegen Sozialbetrug müssen durch die EU unterstützt statt boykottiert werden, sonst wird der BREXIT kein Einzelfall bleiben. Und dort, wo in Mitgliedsländern unlautere Geschäftsmodelle wie Entsendetricks aus Slowenien angewendet werden, muss die Europäische Kommission die STOPPTASTE drücken. Die Gewinner von Lohn- und Sozialdumping müssen endlich zu den Verlierern werden. Sozialbetrug darf sich einfach nicht mehr rechnen.“
 
Beschwerde gegen Slowenien bei der EU-Kommission
 
Slowenien bemisst die Sozialversicherungsbeiträge für ArbeitnehmerInnen, die z.B. in Österreich arbeiten, nicht nach dem österreichischen Lohn, sondern nach einem fiktiven slowenischen Lohn. Das Kalkül dahinter ist, dass slowenische Entsende-Firmen Arbeitskräfte billiger anbieten können, weil sie weniger Sozialversicherungsabgaben bezahlen müssen und damit österreichische Firmen unterbieten können. Diese zynische Arbeitskräfte-Exportprämie muss gestoppt werden! Die Europäische Föderation der Bau- und Holzarbeiter hat bei der EU-Kommission Beschwerde wegen unfairem Wettbewerb eingelegt, die AK hat sich angeschlossen. Einen ersten Erfolg konnten wir damit schon erzielen: Die EU-Kommission hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
 
Die Gewerkschaft Bau-Holz fordert von der Regierung:
 
1. Mehr Personal für die Kontrollbehörden:
Kontrollen sind das effektivste Mittel um den Druck auf die Arbeitsbedingungen in Österreich durch Lohn- und Sozialdumping einzudämmen - wenn Unternehmen tatsächlich mit den Kontrollen rechnen müssen! Dazu braucht es ausreichend Personal.
 
2. Subunternehmerketten einschränken:
Die Beschränkung der Subunternehmerkette bei öffentlichen Aufträgen ist leicht umzusetzen.
 
3. Generalunternehmerhaftung:
Im privaten Bereich würde eine Generalunternehmerhaftung greifen, wie es sie in Deutschland längst gibt: Der erste Auftragnehmer haftet für die ordnungsgemäße Bezahlung der Löhne und Sozialversicherungsbeiträge und kann die Verantwortung nicht auf Subsubsubunternehmen abwälzen, die dann entweder zahlungsunfähig werden oder ihren Sitz im EU-Ausland haben, wo sie nur schwer belangt werden können.
 
AK Präsidentin Renate Anderl: Regierung muss Lohndrückerei und Sozialdumping besser bekämpfen
„Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen finden sich die Evaluierung des Handlungsbedarfs beim Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz aufgrund der EuGH-Urteile sowie Verwaltungsübereinkommen mit den Nachbarstaaten“, sagt Renate Anderl. „Der Handlungsbedarf liegt in mehrerer Hinsicht klar am Tisch. Als Arbeiterkammer haben wir schon mehrfach Vorschläge gemacht, wie das Gesetz aufgrund der EuGH-Urteile angepasst werden müsste:
 
1. Europarechtskonforme Sicherheitsleistung:
Die Regierung kann die Sicherheitsleistung ganz leicht europarechtskonform gestalten: Und zwar so, dass die Behörde erst eine Vorabentscheidung trifft, ähnlich wie eine einstweilige Verfügung im Zivilrecht.
 
2. Kumulationsprinzip reparieren:
„Unternehmen dürfen durch Lohn- und Sozialdumping keinen Gewinn machen“, fordert Anderl. Die Strafe muss auch weiterhin höher sein, wenn mehrere ArbeitnehmerInnen betroffen sind. „Es muss einfach einen Unterschied machen, ob ich einem Menschen keinen Lohn zahle oder gleich 200 ArbeitnehmerInnen. Das wäre sonst auch eine Benachteiligung kleiner und mittlerer Betriebe.“
 
3. Härtere Strafen bei Kontrollvereitelung
Unternehmen, die tatkräftig versuchen, Kontrollen zu verhindern oder zu vereiteln, sollten keinen Vorteil haben gegenüber Firmen, die bereit sind mit den Kontrollorganen zu kooperieren. Die Strafmaßnahmen gegen Kontrollvereitelung sollten daher erhöht werden und es sollte schon bei Vorliegen der ersten rechtskräftigen Bestrafung wegen Kontrollvereitelung eine weitere Tätigkeit des Unternehmens in Österreich für einige Jahre verboten werden.
 
Wir freuen uns darüber, dass die Regierung sich den Dialog mit den Sozialpartnern ins Programm geschrieben hat und bieten auch hier unsere Expertise gerne an. Die österreichischen Vertreter sollten sich darüber hinaus auch im Rahmen der Europäischen Arbeitsbehörde mit Vehemenz dafür einsetzen, dass grenzüberschreitende Vollstreckungen endlich funktionieren. Die Dienstleistungsfreiheit darf nicht über den Rechten der ArbeitnehmerInnen stehen.
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